Vitamin E gilt in der Schwangerschaft nicht als kontraindiziert. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen,
dass Vitamin E – auch wenn es als Antioxidans die erwartete Präeklampsie-Prophylaxe nicht bewirken
sollte – zumindest als unbedeklich im Hinblick auf die fetale Entwicklung gelten kann. Doch aktuell werden
Bedenken geäußert, dass Vitamin E auch immunmodulatorische Eigenschaften besitzt, die der Entwicklung des
Feten abträglich sein könnten. Insbesondere stehe zu befürchten, Vitamin E könnte das notwendige Umschalten
einer TH1-Immunreaktion in der Frühschwangerschaft zu einer TH2-Immunantwort in der Spätschwangerschaft
verhindern (Banerjee S, et al. 2006):
Durch den Kontakt mit plazentaren/fetalen Alloantigenen differenzieren sich T-Helfer-Vorläuferzellen entweder
in Richtung T-Helfer-1 (TH1)-Zellen oder TH2-Zellen. In der Frühschwangerschaft herrscht bei noch niedrigem O2-Partialdruck
eine Zell-vermittelte (TH1) Immunität vor. Sobald sich aber die plazentare Zirkulation etabliert hat und damit die O2- und
Nährstoffversorgung steigt übernimmt bei einer für Mutter und Kind normal verlaufenden Schwangerschaft die humorale (TH2)
Immunität die Regie. Es überwiegt dann ein antiinflammatorisches Zytokinspektrum, das durch eine hohe Produktion an
Interleukin (IL)-4, IL-10 und Transforming Growth Factor (TGF)-b2 in immunkompetenten
Zellen des mütterlichen Immunsystems
in der Dezidua und dem peripheren Blutkreislauf geprägt ist. Die TH1-Zytokine wie Interferon-gamma
(IFN-g),
Tumor-Nekrosefaktor-alpha (TNF-a), IL-12 treten in den Hintergrund. Findet
dieser so genannte TH1/TH2-Übergang nicht statt, kann das für den Schwangerschaftsverlauf schädlich sein und das
Schwangerschaftsergebnis negativ beeinflussen.
Inhibiert Vitamin E wie IFN-g das Umschalten
von einer TH1- zu einer TH2-geprägten Immunantwort?
Interferon-g und IL-4 sind Schlüsselsignale zur Vermittlung der TH1- bzw.
TH2-Immunantwort an der materno-fetalen Einheit. Von IFN- ist bekannt, dass es in der Spätschwangerschaft schädlich
ist. Es begünstigt TH1 Immunreaktionen. Das geschieht zum einen direkt, indem die Expressuion von IL-12/IL-12-Rezeptoren
induziert wird und zum anderen indirekt durch Aktiviereung von von Repressoren der Transkription von IL-4.
Auch Vitamin E inhibiert indirekt die Bildung von IL-4. Es gleicht bezüglich der Rekrutierung von T-Helfer-Vorläuferzellen
und deren Differenzierung den Effekten von IFN-g.
Die protektive Wirkung von Vitamin E bei der Entwicklung atopischer Krankheiten beruht ebenfalls auf der Inhibition
der IL-4-Produktion. In dem Fall wird das Umschalten auf IgE in B-Zellen verindert.
Vitamin E hat immunmodulatorische Eigenschaften, durch die möglicherweise die Entwicklung von TH1 (zelluläre Immunität) zu TH2 (humorale Immunität) unterdrückt wird (hypothetisches Schema):
Interferon- (IFN-) aktiviert Interleukin12 (IL-12) in Makrophagen (M) und inhibiert die Expression von IL-12-Rezeptoren (IL-12R) in M und T-Helfer-Zellen 1 (TH1). Ferner stimuliert es die Differenzierung von T-Helfer-Vorläuferzellen (THV) zu TH1 und inhibiert die Produktion von IL-4/IL-10 in TH2.
IL-4 stimuliert die Differenzierung von THV zu TH2 und inhibiert die Differenzierung zu TH1.
In der normal verlaufenden frühen Schwangerschaft herrscht zunächst der TH1-Phänotyp bei niedrigem Sauerstoff-Partialdruck vor. Im Verlauf der Schwangerschaft steigt der O2-Partialdruck an und der TH1-Phänotyp wird durch den TH2-Phänotyp abgelöst. Bei Präeklampsie ist dieser Übergang inhibiert.
Ähnlich wie IFN- könnte auch Vitamin E die Differenzierung von naiven T-Zellen zu TH2 unterdrücken (nach Banerjee S, et al. 2006).
FAZIT: Anhand publizierter Daten erörtern die Autoren, dass Vitamin E möglicherweise
unerwünschte Wirkungen auf die Entwicklung der fetalen Immunreifung und feto-maternale Interaktionen haben kann, indem
es den Übergang von einer TH1 grprägten Immunantwort in der Frühschwangerschaft zu einer TH2- geprägten Immunantwort
in der Spätschwangerschaft verhindert. Hierdurch sind proinflammatorische Reaktionen (TH1) begünstigt.
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Zur Beurteilung der therapeutischen Unbedeklichkeit von Vitamin E ist es erforderlich, dessen nicht-antioxidativen
Effekte auf das Zytokin-Mikromilieu im Trophoblasten und auf mütterliche Effektorzellen unter verschiedenen
Sauerstoff-Partialdrücken näher zu untersuchen.
Banerjee S, Chambers AE, Campbell S. 2006.
Is vitamin E a safe prophylaxis for preeclampsia? Am J Obstet Gynecol 194:1228-1233.
Editorial: Romero R, Garite TJ. 2006.
Unexpected results of an important trial of vitamins C and E administration to prevent preeclampsia.
Am J Obstet Gynecol 194:1213-1214.
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