Kann durch Gabe der Vitamine C und E das Präeklampsie-Risiko gesenkt werden?


Eine Reihe von Befunden deutet darauf hin, dass bei einer Verringerung der metabolisch bedingten oxidativen Belastung (oxidativer Stress) durch die Gabe von Antioxidanzien das Präeklampsie-Risiko gesenkt werden kann. Diesbezüglich wurde der mögliche Nutzen einer Supplementierung von Vitamin C und Vitamin E bei einem größeren Kollektiv von Frauen mit einer Reihe klinischer Risikofaktoren für Präeklampsie untersucht (Poston L, et al., 2006):

Beim Syndrom der Präeklampsie ist die Plazenta in eine generalisierte mütterliche Entzündungsreaktion einbezogen. Verschiedene Marker für oxidativen Stress lassen sich bei betroffenen Frauen sowohl in der Plazenta als auch im mütterlichen Blut nachweisen. Vorausgegangene kleinere Studien lieferten diskrepante Ergebnisse bezüglich der Eignung von Vitamin C und Vitamin E zur Präeklampsie-Prophylaxe bei Risikopatientinnen.

Inzidenz von Präeklampsie nicht reduziert, aber mehr Kinder mit geringem Geburtsgewicht

In einer randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studie wurden insgesamt 2.395 schwangere Frauen mit erhöhten Präeklampsie-Risiko rekrutiert. Die Teilnehmerinnen erhielten vom zweiten Trimenon an täglich 1.000 mg Vitamin C und 400 IU Vitamin E (n = 1.195) oder entsprechende Plazebos (n=1.205).
Präeklampsie trat in beiden Gruppen vergleichbar häufig auf (15% vs. 16%). Allerdings kamen im Antioxidanzien-Arm häufiger Kinder mit einem geringen Geburtsgewicht (< 2,5 kg) zur Welt (Relatives Risiko: 1,15). Bei den SGA(small for gestational age)-Babys war der Unterschied statistisch nicht signifikant.

FAZIT: Durch die Supplementierung von Vitamin C und Vitamin E wurde die Inzidenz von Präeklampsie in einer Gruppe von Risikopatientinnen nicht reduziert. Unter der Intervention kamen allerdings vermehrt Babys mit einem niedrigen Geburtsgewicht zur Welt.
  Obwohl bei Präeklampsie ein Zustand vermehrten oxidativen Stresses vorliegt, ist – ähnlich wie bei kardiovaskulären Krankheiten – ein positiver Effekt durch die Gabe von Antioxidanzien offenbar nicht zu erwarten. Daher ist die Zufuhr der Vitamine C und E in hohen Dosen während der Schwangerschaft nicht gerechtfertigt.


Poston L, Briley AL, Seed PT, et al. for the Vitamins in Pre-eclampsia (VIP) Trial Consortium. 2006. Vitamin C and vitamin E in pregnant women at risk for pre-eclampsia (VIP trial): randomised placebo-controlled trial. Lancet 367:1145-1154.
Editorial: Lindheimer MD, Sibai BM. 2006. Antioxidant supplementation in pre-eclampsia. Lancet 367:1119-1120.

Hintergrund
Rationale für die Verabreichung von Antioxidanzien zur Prä­eklampsie-Prophylaxe


Mit oxidativem Stress wird ein Zustand beschrieben, bei dem natürliche endogene Antioxidanzien überfordert sind, die im Stoffwechsel natürlicherweise entstehenden, hoch reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS; reactive oxygen species) zu beseitigen. Zu den ROS zählen freie Radikale wie das Superoxidradikalanion, Peroxyradikale und das Hydroxylradikal sowie nichtradikalische Verbindungen wie Wasserstoffperoxid.

Bei Schwangeren mit Präeklampsie wurde in der Plazenta eine erhöhte Konzentration an Superoxidradikalanion gemessen. Dessen Bildung ist im Wesentlichen auf die Aktivitäten von Xanthin-Oxidase und NAD(P)H zurückzuführen. Zugleich war bei präeklamptischen Frauen eine verminderte Konzentration an Vitamin E in der Plazenta gefunden. Andererseits waren bei solchen Patientinnen aber auch erhöhte Aktivitäten der Glutathion-Peroxidase oder der Katalase gemessen worden.

Der oxidative Stress in der Plazenta kann direkt oder indirekt auch zu oxidativem Stress im mütterlichen Kreislauf führen. Durch die Schädigung plazentarer Zellen durch freie Radikale wird Zellmaterial abgestoßen, das zur Aktivierung von neutrophilen Lymphozyten im mütterlichen Blut führen kann. In-vitro-Experimente haben eine solche Aktivierung durch Mikrovesikel aus dem Synzytiotrophoblasten nachgewiesen. Es wird ferner angenommen, dass im mütterlichen Blutkreislauf ein Circulus vitiosus von endothelialer und neutrophiler Aktivierung in Gang gesetzt und durch fortlaufende Aktivierung von NAD(P)H aufrechterhalten wird.

Von Patientinnen mit Präeklampsie aus dem mütterlichen Blut isolierte neutrophile Lymphozyten synthetisieren bei einer Aktivierung durch Rezeptor-vermittelte oder nicht-Rezeptor-vermittelte Stimuli mehr Superoxidradikalanion als die von normotensiven schwangeren Frauen. Dies erfolgt durch Aktivierung der NAD(P)H

Raijmakers MTM, Dechend R, Poston L. 2004. Oxidative stress and preeclampsia. Rationale for antioxidant clinical trials. Hypertension 44:374-380.

 

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